tag:blogger.com,1999:blog-76213403584764318872024-03-13T06:29:03.806-07:00In der ReimhölleRolf-Peterhttp://www.blogger.com/profile/10085340601531913579noreply@blogger.comBlogger1125tag:blogger.com,1999:blog-7621340358476431887.post-88227917381485846322008-01-16T23:40:00.000-08:002008-01-17T04:10:20.257-08:00In der ReimhölleIn der Reimhölle<br /><br /><br /><a href="http://www.wille.blogspot.com">Rolf-Peter Wille</a><br /><br /><br />Aus Langerweil’ ersinn ich diese Stanze.<br />Ersinne? Ach, es sinnt sich nichts! Ich leime -<br />Wie Don Quixote die zerbrochne Lanze -<br />Den Flickvers flott mit abgedroschnem Reime,<br />Und der verdirbt den Rhythmus, den ich tanze,<br />Erstickt das lyrische Gefühl im Keime.<br />Rhetorisch läßt sich allerlei ergänzen,<br />Sehr elegant, mit krönenden Sentenzen.<br /><br />Geboren ward er wohl im duftgen Eden.<br />Auch in Italien sonnte er sich gerne,<br />Der luftge Reim. Einst spann er seine Fäden<br />Durch die Paläste bis in weite Ferne.<br />Es übte sich manch Prinz im edlen Reden,<br />Dass er Galanterie im Reim erlerne<br />Und als versierter Kavalier gewinne<br />Die süßen Früchte seiner noblen Minne.<br /><br />Stolz singt Ottava rima der Arioste,<br />Denn schon Orlando liebt ja die Oktave<br />Und reitet durch die Stanzen, was es koste,<br />Nicht nur furioso - nein, auch klanglich suave.<br />Ein rechter Ritter reimt, bis er verroste,<br />Oder verratzt am Boden liegt, der brave.<br />Und wie der Lampengeist dem Aladdin<br />So dient die Stanze diesem Paladin.<br /><br />John Milton war es dann, der bitterböse,<br />Der schmiss den Reim aus seinem Paradiese,<br />Aus dem verlorenen, dass er erlöse<br />Die Macht der Epik, und in dem Verliese<br />Brummt er nun eingesperrt, auf dass er döse<br />In alle Ewigkeiten, dieser miese.<br />Und so erblüht uns heut die Poesie<br />In ungereimt natürlicher Manie.<br /><br />Jüngst fiel im düstren Wald ich in ein Loch<br />(Nicht mit Vergil - nein, ganz mit mir allein).<br />Trüb war es in der Höhle und es roch<br />Nach Schwefel, nach Verkohltem und Gebein.<br />Ich hörte scharfe Schreie und es kroch<br />Ein Wurm an mir vorbei in Weh und Pein.<br />"Wer bist Du, Wesen?" hub ich an zu fragen,<br />"Was willst Du Dich in dieser Höhle plagen?"<br /><br />"Was soll das lästge Labern?" schrie der Wicht,<br />"Besoffen bist Du, Dichter - doch kein Dante!"<br />Ich schwieg betroffen, denn ich wagte nicht<br />Zu widersprechen, bis ich mich ermannte,<br />Das grause Monster anzustarrn im Licht<br />Des grellen Feuers, wo es grässlich brannte.<br />"Du bist", so sprach ich, "der verdammte Schleim<br />Der Dichtkunst, der vermaledeite Reim."<br /><br />"Der prächtge Reim war ich - jetzt nur ein schlichter,<br />Ein schlechter Wurm im Feuersturm verloren.<br />Doch bleibt ein Freund mir noch, ein Stanzendichter,<br />Der mir vertraut. Er ist dazu erkoren -<br />Das Urteil stammt vom allerhöchsten Richter -<br />In diesem Loche hier mit mir zu schmoren.<br />Wenns Dich nicht wurmt, so reimen wir zusammen<br />Und dichten recht dramatisch in den Flammen."<br /><br />Ich brenne! Hei, ich brenne in der Höhle!<br />Plumps, fall ich schweissgebadet aus dem Bette.<br />Noch glüht der Albtraum heiss in meiner Seele.<br />Wie scheusslich, dass ich mich mit einer Kette<br />Von Horrorimaginationen quäle<br />Und mich nur feige durch Erwachen rette!<br />Will ich denn einen Feuergeist entfachen?<br />Ich kann mir keinen rechten Reim drauf machen.<br /><br /><br /><br /><br />Back to <a href="http://www.wille.blogspot.com">Rolf-Peter Wille: My Writings</a>Rolf-Peterhttp://www.blogger.com/profile/10085340601531913579noreply@blogger.com0